Warum du deine Komfortzone gar nicht verlassen musst
Die Komfortzone hat keinen besonders guten Ruf. Sie ist ein bisschen peinlich. Das Schmuddelkind der Motivationsredner, das heruntergekommene Ghetto unter den menschlichen Seinszustände.
Alle wollen sie die Komfortzone verlassen. Dabei wird sie nur missverstanden! Ich muss an dieser Stelle mal kurz eine Lanze für sie brechen: Komfortzonen sind prima. Denn genau da ist man am effizientesten, produktivsten und bewegt sich wie ein Fisch im Wasser – weil man sich in seiner natürlichen Lebensumgebung/Blase befindet.
Aber. (Ihr habt geahnt, dass ein Aber kommt, oder?)
Wenn man neue Dinge lernen will und sich weiterentwickeln möchte (das sollte man gelegentlich mal tun), wirds manchmal ein bisschen eng. Dann bleibt einem nichts anderes übrig, als die Komfortzone zu erweitern. Nein, man muss gar nicht auswandern und sie verlassen, man muss sie nur erweitern. Dafür lässt es sich allerdings nicht umgehen, auch mal eigene Bequemlichkeitsgrenzen zu überschreiten. Das Schöne an der Sache: Je häufiger man diese Grenzen überquert und (um im Bild zu bleiben) neue Wege anlegt, desto größer wird die eigene Komfortzone. Was es wiederum leichter macht, bei Gelegenheit mal wieder über den eigenen Schatten zu springen.
Komfortzonen-Tipp 1: Du verlässt deine Komfortzone gar nicht. Du erweiterst sie eigentlich und guckst erst mal, was auf der anderen Seite so ist.
Am vergangenen Samstag war es für mich an der Zeit, Terrain außerhalb meiner Wohlfühlzone zu betreten.
Kurzer Rückblick: Im letzten Sommer bin ich ja mit meinem Blog umgezogen und habe mir vorgenommen, die Sache ein bisschen geplanter und professioneller aufzuziehen (man entwickelt mit der Zeit doch ein bisschen Ehrgeiz). Meine Bloggeschichte kannst du hier übrigens noch einmal nachlesen. Eins meiner Ziele war, mich zu vernetzen und auch im echten Leben mal zu gucken, was sich in der Bloggerszene so tut. Ohne groß nachzudenken habe ich mich beim BLOGST Barcamp angemeldet — Köln ist schließlich nicht weit weg. Und dann bin ich am Samstag einfach mal hingefahren. Zu meiner großen Überraschung war ich — begeistert!
Nun muss man wissen, dass “Netzwerken” für mich die gleiche Anziehungkraft hat wie “Zahnarzttermin” oder “versuch mal den Handwerker zu erreichen”. Ich mag die Bedeutungswelt dahinter nicht, weil für mich immer etwas leicht Berechnendes mitschwingt. Als würde ich Kontakte nur deswegen knüpfen, weil irgendwann was bei rumkommen könnte. Das wiederum zwingt mich dazu, mich von meiner besten Seite zeigen zu müssen — soll ja mal was bei rumkommen, da kann man sich nicht komplett zum Brot machen. Und das kann Netzwerk-Veranstaltungen ziemlich anstrengend machen. Deswegen habe ich mir im Vorfeld erfolgreich eingeredet, dass es sich definitiv nicht um eine Netzwerkveranstaltung handelt, sondern um eine Gelegenheit, interessante Menschen kennenzulernen. Ich mag nämlich Menschen und ich finde die Geschichten unheimlich spannend, die jeder mitbringt. Die Mission war also nicht, nützliche Kontakte einzusammeln, sondern ein oder zwei interessante Personen kennenzulernen. Und das habe ich definitiv.
Komfortzonen-Tipp 2: Leg die Einstiegshürde so niedrig wie möglich. Setz dir ein absolut machbares Ziel und verkleide es als etwas, das du sowieso gern tust.
Ich habe den Tag auf dem Barcamp sehr genossen. Ich weiß nicht mehr, mit wie vielen Leuten sich kurze oder längere Gespräche ergeben haben – es waren viele. Und es waren viele großartige Leute, die ihre Ideen, Geschichten und ihr Wissen mit anderen geteilt haben.
Und mitgenommen habe ich auch eine Menge (damit meine ich nicht das Goodie-Bag – das war natürlich auch mit tollen Dingen gefüllt).
Es gab fünf Zeitfenster für Workshops bzw. Sessions. Das Spannende am Barcamp: Die Teilnehmer bereiten die Sessions vor oder halten sie auch mal spontan *räusper*.
Da immer mehrere Veranstaltungen parallel stattfinden, kann man nie alle Workshops besuchen, die einen interessieren. Man muss sich notgedrungen entscheiden.
Ich habe den Tag kreativ begonnen und bei Ioana gelernt, wie man Papercuts macht. Quasi ein Scherenschnitt nur hipper und das Ausschneiden der Details hat schon fast meditative Züge. Ich glaube, das mache ich mal wieder.
Komfortzonen-Tipp 3: Auch außerhalb der Komfortzone kann man Wohlfühlinseln schaffen.
Bei Melanie habe ich Antworten auf Fragen gefunden, die mir tatsächlich seit ein paar Wochen unter den Nägeln brennen. Dank Einführung in CSS weiß ich endlich, wie ich Details an meinem Blog ändern kann, ohne aus Versehen die gesamte Seite abzuschießen. Hallelujah!
In der Mittagspause wurde der Grill auf der Dachterrasse angeschmissen. Die Sonne kam raus, die Gesellschaft war großartig und das Geschirr ausgesprochen hübsch.
In Session drei konnte ich mich nicht entscheiden und habe erst Claras Wissen rund um Flatlays bestaunt und gelernt, wie der Unterschied zwischen viel Fleisch und wenig Fleisch auf Fotos aussieht. Übrigens eine völlig vegetarische Angelegenheit, die nicht wirklich was mit Fleisch zu tun hat. Da es mir für den Praxisteil zu voll war, habe ich mich eine Tür weiter in die Session gemogelt und den Mädels von punktkariert zugehört, die ihr Wissen rund um Newsletter geteilt haben. Gibt es hier mal einen Newsletter? Ich weiß es ehrliche gesagt noch nicht, ich denke noch drüber nach.
Und dann habe ich spontan selbst eine Session gehalten übers Bücherschreiben. Das hatte ich eigentlich nicht wirklich geplant, es hat sich irgendwie ergeben und mir hat es jedenfalls viel Spaß gemacht. Was hauptsächlich an der lebhaften und engagierten Runde lag. Vielleicht konnte ich ja bei ein paar Fragen weiterhelfen.
Auch wenn es manche wundert: Vor anderen zu reden befindet sich mittlerweile innerhalb meiner Komfortzone. Das macht mich nur noch dann nervös, wenn es sich um sehr große Menschenmengen handelt oder um Themen, in denen ich nicht so richtig zu Hause bin.
Komfortzonen-Tipp 4: Wenn du die Grenzen deiner Wohlfühlzone an einer Stelle oft genug überquert hast, werden irgendwann Dinge normal und unaufregend, die dir anfangs Nervositätsbauchweh bereitet haben.
Nach einer letzten Kaffeepause habe ich es noch mal mit der Frage versucht, wie man als Blogger auf Dauer motiviert bleibt. Vanessa hat die Session auch ziemlich spontan übernommen und bei mir eine ganze Menge Gedanken ins Rollen gebracht. Unter anderem: Warum schreibe ich nicht viel öfter über Themen, die mich gerade beschäftigen, ohne vorher 3000 Dinge abzuwägen (passt das überhaupt zum Blogthema, interessiert das irgendjemanden, kann ich überhaupt sinnvolle Antworten geben …). Einfach mal machen. Ja, das ist ein gutes Motto. Und außerdem hatte sie Kekse dabei, das ist immer ein sehr überzeugendes Argument für mich.
Am Ende des Tages hatte ich alle meine Wörter aufgebraucht und mein Kopf summte fast vor Input.
Es war großartig.
Ach ja, meine Komfortzone hat sich damit wieder ein Stück vergrößert.
Liebe Grüße
Anne