Warum du kein kreatives Genie sein musst, um genial kreativ zu werden
Hältst du dich eigentlich für einen kreativen Menschen? Ja? Super, dann musst du gar nicht weiterlesen (Halt, war nicht so gemeint, ich freue mich trotzdem, wenn du weiterliest und mir deine Gedanken dalässt).
Ich habe schon oft den Satz gehört “Ich bin nicht kreativ, ich kann ja nicht … ” gefolgt von Dingen wie “malen/singen/mir verrückte Dinge ausdenken”. Und weiß du was? Das ist totaler Quatsch.
Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der keine kreativen Fähigkeiten hatte. Nur einige, die diese Fähigkeiten kaum nutzen. Das ist wie mit Bauchmuskeln. Die hat auch jeder – aber nicht jeder hat ein Six-Pack.
Das Thema Kreativität umgibt einige Mythen. Ein paar davon schauen wir uns mal genauer an. Und wer weiß, vielleicht stellst du dabei fest, dass in dir noch mehr Kreativität schlummert, als du für möglich hältst.
Mythos 1: Kreativität ist eine besondere Gabe, mit der manche Menschen geboren werden
Es gibt Menschen, die sind kreativ. Und es gibt Menschen, die sind es nicht. Also muss das irgendwas mit Veranlagungen und Genen zu tun haben, richtig? Nö.
Menschen sind von Anfang an kreativ. Jeder wird mit der Fähigkeit geboren, etwas zu gestalten, Neues zu schaffen und erfinderisch zu sein. Diese Bedeutung steckt im Lateinischen creare, von dem sich der Kreativitätsbegriff ableitet.
Man kann das sehr schön bei kleinen Kindern beobachten. Die probieren, kombinieren, finden überraschende Lösungen, um von A nach B zu kommen und nutzen Dinge auf sehr originelle Weise. Das Ergebnis ist selten von überragend ästhetischer Eleganz – aber ihnen fehlen auch noch viele feinmotorische Fähigkeiten. Bei kleinen Kindern kann man meiner Meinung nach gut erkennen, was die Triebfedern für Kreativität sind: positive Neugier, Freude am Ausprobieren und Ausdauer.
Irgendwann lernt man dann, dass es auch darauf ankommt, die Dinge richtig zu tun. Und in manchen Bereichen des Lebens ist das nicht nur wichtig, sondern überlebenswichtig. Blöderweise sorgt die Angst davor, etwas nicht richtig zu machen auch dafür, dass Kreativität verschüttet wird.
Mythos 2: Kreative sind Künstler oder künstlerisch begabt
Künstler sind meistens kreativ, das stimmt. Aber es gibt z.B. auch Musiker, die handwerklich und technisch brilliant sind, aber nicht wahnsinnig kreativ.
Eine ganz allgemeine Definition lautet so:
wikipedia
Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu schaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist.
Das lässt doch eine ganze Menge Spielraum, oder? Wenn du einen Garten anlegst, ist das kreativ. Wenn du Neues in der Küche ausprobierst, Rezepte abwandelst oder kreierst – ist das kreativ. Und auch der Statistiker, der neue Berechnungsmodelle entwickelt, ist kreativ. Betätigungsfelder gibt es also mehr als genug.
Mythos 3: Kreative haben völlig neue Ideen
Mit diesem Mythos habe ich mich selbst auch lange herumgeschlagen. Ich war davon überzeugt, dass eine Idee nur dann zählt oder kreativ ist, wenn es so etwas noch nie gab, wenn man etwas noch nie Dagewesenes schafft. Und Überraschung: So etwas kommt selten bis nie vor.
Was mich beruhigt hat: Selbst kreative Genies entwickeln ihre Ideen nicht im luftleeren Raum. Es ist immer ein Kombinieren und Weiterentwickeln. Die Pros lassen sich beim Kombinieren nur nicht von den Grenzen einzelner Fachgebiete aufhalten. Wusstest du, dass einige der bahnbrechenden Erfindungen von mehreren Personen an unterschiedlichen Orten zu ähnlichen Zeiten gemacht wurden (Telefon, Film, Elektronenröhre …)? Die haben alle Dinge kombiniert und weiterentwickelt, die gerade irgendwie “in der Luft lagen”.
Das gilt übrigens auch für Nichtwissenschaftler. Ich habe es zwar (noch) nicht selbst gelesen, aber das Buch “Steal like an artist” von Austin Kleon (dt. “Alles nur geklaut”) bringt die Sache mit Ideen und Inspiration wunderbar auf den Punkt. Es geht nicht darum, zu plagiieren und die Ideen anderer als eigene auszugeben (das ist immer Bäh!). Es geht ums Sammeln von Inspiration und um das Verbinden, Kombinieren, Weiterentwickeln und Ausprobieren. Also einfach mal machen.
Mythos 4: Kreative müssen nur auf die Inspiration warten
Das wäre schön. Ist aber nicht so. Das Bild vom Schriftsteller, der nur auf Inspiration wartet und dann wie im Rausch schreibt, des Künstlers, den plötzlich die Muse küsst, oder des Wissenschaftlers, der Heureka rufend aus der Wanne springt, sind genau das: überlieferte Mythen.
Genial kreative Ideen, Bücher, Kunstwerke entstehen nicht, weil jemand spontan eine Idee hatte und – Tadaa! – fertig ist die Laube. An dem Spruch “10% Inspiration, 90% Transpiration” ist sehr viel Wahres dran. Große Werke und auch kleinere kreative Dinge entstehen nur, weil jemand unermüdlich an einer Sache drangeblieben ist.
Schreiben, auch wenn einem gerade nicht danach ist. Forschen, auch wenn einem noch die zündende Idee fehlt … Die besten Ideen entstehen im Prozess. Und dann muss man sich an ihnen festbeißen wie ein Terrier.
Mythos 5: Kreativität ist ein Pool, aus dem man schöpft
.. und irgendwann ist der Pool ausgeschöpft. Stimmt nicht.
Kreativität ist kein endliches Gut, das man aufbrauchen kann. Sie ist tatsächlich eher wie ein Muskel, den du trainierst. Wenn du dein Gehirn daran gewöhnst, Querverbindungen herzustellen, Inspiration zu erkennen, Ideen miteinander zu verknüpfen und ausdauernd an einer Sache dranzubleiben, dann wird es auch immer besser darin. Dann kannst du kreative Prozesse einfach abrufen, wenn du sie brauchst. Kreativität wird zu einem ständigen Begleiter.
Mythos 6: Ich bin nicht kreativ und werde es auch nie sein
Dass das nicht stimmt, haben wir ja grundsätzlich schon mal festgestellt. Du hast kreative Fähigkeiten in dir. An manchen Stellen wirst du sie schon einsetzen, du glaubst nur nicht, dass das kreativ ist, was du tust. Aber da geht noch mehr. Wenn Kreativität ein Muskel ist, kannst du sie auch trainieren.
Was empfindest du als kreativ und was würdest du gern können? Und warum probierst du das nicht einfach mal aus? Such dir Beispiele oder Anleitungen für erste Projekte. Mach erst mal was nach. Und wenn das gut klappt, gehst du neue Wege. Du veränderst Teile, kombinierst Ideen und entwickelst Schritt für Schritt deinen eigenen Stil und deine eigenen kreativen Methoden.
Ignoriere die Angst, du könntest etwas nicht richtig machen. Das geht bei Kreativität gar nicht.
Du bist kreativer, als du denkst. Mach einfach mal.