August 25, 2019

Gute Entscheidungen treffen

Wie dir ein Journal dabei helfen kann.

Entscheidungen haben ein Imageproblem.
Ich kenne kaum Menschen, bei denen “Entscheidungen treffen” weit oben auf der Liste der Lieblingsbeschäftigungen steht. Schon unsere Sprache sorgt dafür, dass dieser Vorgang äußerst uncharmant wirkt: Ich muss mich entscheiden. Das klingt nicht nach etwas Schönem. Das klingt nach schwebendem Damoklesschwert, Herzrasen und gehetzten Blicken. Das will ja keiner.
Und wenn ich eine Entscheidung für etwas treffe, entscheide ich mich ja gleichzeitig gegen alles andere, oder? Und was, wenn es die falsche Entscheidung war? Aaaaaaaah.

Tief Luft holen. Du bist schon jetzt viel besser im Entscheidungentreffen, als du denkst und du schaffst es auch, größere Entscheidungen souverän zu meistern.
Doch erst ein Inhaltsverzeichnis, damit du besser durch den (ziemlich umfangreichen) Beitrag navigieren kannst:

  1. Wieso manchmal jede Entscheidung besser ist als keine
  2. Wie du mit schwerwiegenden Entscheidungen umgehst
  3. Die drei ultimativen Entscheidungshilfen
  4. Mit dem Journal zur Entscheidung

Warum du besser im Entscheidungentreffen bist, als du denkst

Wir treffen täglich 20.000 Entscheidungen und das ziemlich routiniert. Das hab ich mir nicht ausgedacht, das hat der Psychologe Ernst Pöppel zusammengerechnet (hier gibt es ein nettes Interview zum Thema). Ein Großteil dieser Entscheidungen sind Blitz-Entscheidungen. Das Handy signalisiert eine neue Nachricht – sofort anschauen oder ignorieren? Die Ampel springt auf Gelb – Gas geben oder bremsen? Das entscheiden wir in Sekundenbruchteilen, ohne bewusst darüber nachzudenken, geleitet von Erfahrungswerten, Gewohnheit und Instinkt. Beeindruckend.

Du triffst bereits mehrere Tausend Entscheidungen. Jeden Tag.

Dazu kommt eine Vielzahl von Alltagsentscheidungen, die wir mehr oder weniger bewusst treffen. Zugegeben, hier kann es schon mal unübersichtlich werden. Tee oder Kaffee? Rosinen im Müsli oder lieber nicht? Stattdessen vielleicht getrocknete Superbeeren? Sollen ja gesund sein. Die bequemen Schuhe oder die schönen? Und welche der 27 Brotsorten kaufe ich diese Woche?
Im Alltag haben wir die Qual der Wahl. Je mehr Möglichkeiten sich bieten, desto mehr können und müssen wir auswählen. Die Entscheidung zwischen „Kaufe ich Brot“ oder „Kaufe ich kein Brot“ ist leichter als die zwischen 27 Sorten. Und soll es ein ganzes sein? Geschnitten oder am Stück?

Wieso manchmal jede Entscheidung besser ist als keine

Die Möglichkeiten in unserem Alltag sind in den vergangen Jahren exponentiell gestiegen. Nicht nur beim Brotkauf. In fast jedem Bereich unseres Lebens stehen wir einem fast unübersichtlichen Angebot gegenüber. Das verursacht Stress. Denn wie soll man unter all diesen Angeboten das bestmögliche finden?

Wie trifft man die perfekte Wahl?
Am besten gar nicht. Das meine ich ernst.

Ich glaube, dass man sich mit diesem Anspruch und der Suche nach der perfekten Wahl, der perfekten Entscheidung, selbst ausmanövriert. Die Aufgabe von Alltagsentscheidungen ist es, mich handlungsfähig zu machen. Ich kann mich nicht mit allen Möglichkeiten beschäftigen, ich muss sie in Einheiten zerlegen, die sich bewältigen lassen. Also muss ich Möglichkeiten ausschließen. Wenn man es so nüchtern betrachtet, ist jede Entscheidung besser als keine Entscheidung.

Das Gute an diesen Alltagsentscheidungen ist, dass ihre Auswirkungen sehr überschaubar sind.
Je mehr Entscheidungen ich treffe, desto mehr Erfahrungswerte kann ich sammeln. Und desto sicherer und schneller gehe ich mit künftigen Entscheidungen um. Das ist übrigens auch das, was man so ominös mit “Lebenserfahrung” umschreibt.

Lebenserfahrung ist die Summe deiner guten und schlechten Entscheidungen und dem, was du daraus gelernt hast.

Was ist mit den großen Lebensentscheidungen?

Natürlich ist nicht jede Entscheidung so harmlos wie die für eine Sorte Brot oder gegen das neue Paar Schuhe. Jeder kennt die großen Entscheidungen, denen man förmlich ansieht, dass sie das Leben maßgeblich prägen und verändern können. Die trifft man nicht aus einer Sektlaune heraus, weil man eben was entscheiden muss. Ihre Tragweite kann einem gehörigen Respekt einflößen. Und manchmal wünscht man sich, man müsste diese Entscheidungen nicht treffen, sondern könnte einfach einem perfekten Masterplan folgen …

Auf der anderen Seite: Ist es nicht eigentlich großartig, dass du dein Leben selbst gestalten darfst, dass du Dinge verändern kannst und die Richtung bestimmst? Du darfst gestalten, selber machen, ausprobieren.
Durch die Entscheidungen, die du triffst, wirkst du an deiner Geschichte mit. Du kannst der Handlung eine neue Wendung geben, sie vorantreiben oder ruhig dahinplätschern lassen. Was für ein Privileg!

Eine Frage des Blickwinkels

Du kannst Entscheidungen auf zwei sehr unterschiedliche Weisen betrachten.
1. Du kannst sie statisch wahrnehmen, als abgeschlossene Ereignisse, die dich von A nach B bringen. Dann triffst du eine Entscheidung und stehst anschließend vor den Konsequenzen. Fertig.
2. Oder, und das ist die Perspektive, die ich bevorzuge, du siehst Entscheidungen in einem dynamischen Gesamtzusammenhang – als Station auf deiner Reise, Wendepunkte in deiner Geschichte.
Stell dir vor, dein Leben wäre ein Schiff. Deine Entscheidungen sind das Steuerrad, mit dem du den Kurs setzt. Du kannst nachjustieren, wenn du vom Kurs abkommst. Keiner zwingt dich, weiter in die falsche Richtung zu segeln, wenn du den Irrtum bemerkst. Du kannst auch im Zickzack übers Meer fahren – das ist vielleicht nicht die effizienteste Methode, aber auch so kommt man ans Ziel. Jede Entscheidung beeinflusst deinen Kurs, aber ihre Ergebnisse sind veränderbar.

Das heißt nicht, dass Entscheidungen völlig egal sind. Im Gegenteil. Große Lebensentscheidungen legen den Rahmen fest, in dem du dich bewegst, sie bestimmen die grobe Route. Und natürlich haben Entscheidungen auch Konsequenzen. Aber: Mit einer großen Entscheidung ist die Sache nicht abgeschlossen. Sie ziehen viele kleine nach sich. Diese kleinen Alltagsentscheidungen bestimmen, wie das Gesamtbild am Ende aussieht. Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen und Entscheidung für Entscheidung.

Deine Lebensentscheidungen kannst und musst du jeden Tag neu mit Leben und Farbe füllen.

Die ultimative Entscheidungshilfe: 3 Tipps für weise Entscheidungen

Nun bleibt trotzdem die Frage: Wie trifft man eine kluge Entscheidung? Wäre es nicht toll, wenn man das einfach in einem Kurs lernen könnte?
Ich fürchte, es gibt keine Geheimfomel, aber drei Punkte, die mir sehr bei Entscheidungen helfen:

Kenne dein Ziel.

Um das Bild des Schiffs wieder aufzugreifen: Den Kurs kannst du nur bestimmen, wenn du weißt, wohin du eigentlich willst. Eine Geschichte braucht einen roten Faden. Wie soll dein Kurs, dein roter Faden aussehen?
Bei manchen Entscheidungen hilft es, gedanklich einen Schritt zurückzutreten und das große Ganze zu betrachten. Steht die Wahl in einem direkten Zusammenhang mit den großen Zielen in deinem Leben? Bringt sie dich näher dorthin oder legt sie dir auf lange Sicht Steine in den Weg?

Spule den Film vor.

Auch wenn VHS-Kassetten ein Relikt der Vergangenheit sind, finde ich dieses Bild hilfreich. Ich stelle mir vor, wie mein Leben in fünf oder zehn Jahren aussähe, wenn ich mich für die eine oder andere Sache entscheide. Würde ich es mehr bereuen, ein Risiko nicht eingegangen zu sein oder wäre der mögliche Schaden größer und wahrscheinlicher?

Sei gnädig. Mit anderen und mit dir.

Das klingt vielleicht etwas salbungsvoll, aber es ist mir ernst damit. Eine wirklich richtige Entscheidung kannst du nur dann treffen, wenn du 100% der nötigen Informationen zum fraglichen Sachverhalt hast. Dazu gehört auch, dass du weißt, was in Zukunft geschehen wird. Diesen Informationsvorsprung hatte ich bisher noch nie.
Du kannst alle Informationen sammeln, die dir zu Verfügung stehen. Du kannst abwägen und beten. Und dann kommt der Moment, in dem du einfach springen musst. Und darauf vertraust, dass du aufgefangen wirst.

Wie du dein Tagebuch für Entscheidungen nutzen kannst

Bei schwierigen Entscheidungen, kann dir dein Journal helfen. Wenn du die Situation formulierst und aufschreibst, kommt sie von deinem Kopf aufs Papier und du kannst dir die Sachlage von außen anschauen. Oft ist es nämlich so, dass man eigentlich weiß, wie man sich entscheiden sollte – man hat nur Angst vor der Ungewissheit (oder vor der eigenen Courage).

Nimm dir ein Blatt Papier oder schlage eine neue Seite in deinem Journal auf und schreibe alles auf, was dir zu den folgenden Fragen einfällt:

  1. Beschreibe die Situation, in der du dich gerade befindest.
  2. Welche Möglichkeiten gibt es, zwischen welchen Optionen kannst du dich entscheiden? Zähle alle auf.
  3. Schreibe zu jeder Möglichkeit diese Dinge auf: Was würde im besten Fall passieren? Was könnte im schlimmsten Fall geschehen? Und wie wahrscheinlich ist das?
  4. Welche Möglichkeit bringt dich weiter in die Richtung, in die du willst?
  5. Was sagt dein Bauchgefühl?

Ein fiktives Beispiel:
Du bekommst eine Einladung, Redner bei einer Veranstaltung zu sein und hast die Chance vor 500 Leuten zu sprechen.
Es gibt im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: Du sagst zu. Oder du sagst ab.
Wenn du zusagst, könntest du im besten Fall 500 Leute für dein Thema begeistern. Es würden sich neue Kontakte ergeben und du bleibst als die Person im Gedächtnis, die brillant über Thema XY geredet hat. Im schlechtesten Fall hattest du für die Vorbereitung zu wenig Zeit oder du bekommst vor Lampenfieber kein Wort hervor. Du blamierst dich bis auf die Knochen und 500 Leute werden dich als die Person in Erinnerung behalten, die es total versemmelt hat. Vor lauter Stress bist du anschließend 2 Wochen krank. Was ist wahrscheinlicher?

Wenn du absagst, hast du dir im besten Fall eine Blamage erspart, mit Sicherheit jedoch zusätzliche Arbeit und Lampenfieber. Im schlechtesten Fall hast du dir eine große Chance entgehen lassen. Was ist wahrscheinlicher?

Wenn du immer davon geträumt hast, als Redner durch die Welt zu reisen, bringt dich Möglichkeit A weiter nach vorn. Wenn du allerdings als Elektriker Karriere machen wolltest und kurz vor einer Prüfung stehst, passt Möglichkeit B besser.


Was sagt dein Bauchgefühl?

Pro-Tipp für alle, die noch besser werden wollen: Schau dir deinen Journal-Eintrag ein halbes Jahr später noch mal an. Was sagst du im Rückblick zu deiner Entscheidung? Was sie gut? War sie schlecht? War alles halb so wild?
Wenn du deine Entscheidungen gelegentlich Revue passieren lässt, kannst du daraus lernen. Und du wirst wahrscheinlich entspannter. Viele Entscheidungen, die dir im Moment wahnsinnig groß vorkommen, erweisen sich im Rückblick als ziemlich harmlos oder gar putzig.

Und jetzt du: Bist du ein mutiger Entscheider oder schiebst du Entscheidungen lieber lange vor dir her? Welche Entscheidung solltest du endlich mal treffen?

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  1. Eine Methode, die mir bei den mittelschwierigen Entscheidungen hilft: eine Münze werfen. Und wenn mir das Ergebnis nicht gefällt, ist klar, dass ich von vornherein eigentlich das andere wollte 😉

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