Zwei genial einfache Schreibtipps und ein Cocktailrezept
Was haben Mixgetränke und Ernest Hemingway gemeinsam?
Sie kommen beide in diesem Blogpost vor („Tätää“ denkt hier der Rheinländer).
Aber lass mich das erklären — diese Verbindung ist weniger beliebig als es den Anschein hat.
Hemingway war ziemlich trinkfest, heißt es. Gut, das mag interessantes, nutzloses Wissen sein, hilft aber erst mal nicht weiter. Von ihm stammt jedoch auch das Zitat „Write drunk, edit sober“. Also in etwa „Betrunken schreiben, nüchtern bearbeiten“. Dieses Zitat kreuzt in Abständen immer mal wieder meinen Weg und natürlich habe ich mich gefragt, ob er recht hat.
Ist das vielleicht die geheimnisvolle Formel für geniale Texte? Sollten wir uns ein Beispiel an Hemingways Trinkfestigkeit nehmen und alle mit einem Cocktail oder zwei oder mit einer Flasche Wein an der Schreibmaschine sitzen? (Natürlich sitzt keiner mehr an der Schreibmaschine aber in meinen Gedanken sieht das schöner aus. Bei elektronischen Geräten kommt einfach keine Stimmung auf.)
Also sollten wir?
Um Antworten zu finden, habe ich selbstverständlich streng wissenschaftliche Experimente durchgeführt (gehört zum Service hier) und kann sagen: eher nicht. Bei einer Flasche Rotwein lassen sich ziemlich gut Gespräche über Gott und die Welt führen, beim Schreiben hilft das trotzdem nur bedingt weiter. Wenn man sich nicht gerade mit neuen Formen des Dadaismus beschäftigt, macht Schreiben mit Hirnbeteiligung mehr Freude.
Aber auch wenn ich den guten Ernest nicht wörtlich nehmen möchte, stecken in seinem Spruch zwei wirklich hilfreiche Schreibtipps. Eigentlich sind es sogar mehr als Tipps, es sind die beiden universellen Stadien, die jeder Text durchlaufen sollte.
Tipp 1: Schreibe, als ob du betrunken wärst.
Aha. Und wie genau soll das aussehen?
Schreibe, als gäbe es keine Regeln.
Die Gedanken können noch so wild und unorthodox sein — bring sie zu Papier. Du kannst von Thema zu Thema hüpfen, beim Schreiben unterschiedlichsten Ideen folgen und dich selber dabei wundern, wohin das führt. Leg deiner Fantasie keine Zügel an, lass sie einfach mal machen. Schnapp dir das erste Stück des roten Fadens, das du zu greifen bekommst und dann folgst du den Gedanken, die sich daraus ergeben. Vorteil: Es ist ein sehr unterhaltsamer Prozess, weil man selbst noch nicht weiß, wo man am Ende landet und welche spannenden Dinge daraus entstehen.
Setz den inneren Lektor beim Schreiben vor die Tür.
Kennst du die innere Stimme, die beim Schreiben ständig dazwischenfunkt, bewertet und überprüft? Sie sagt Dinge wie „Das kann man doch so nicht sagen!“, „Kann das ein Leser überhaupt nachvollziehen?“, „Da fehlt ein Komma“, „Schlag das mal schnell im Duden nach“, „Das ist eine völlig abgedroschene Redewendung, denk noch mal drüber nach“ …
Vielleicht sagt dein innerer Lektor andere Dinge. Meiner hat zugegebenermaßen eine Vollmeise. Das sind berufliche Spätfolgen, wenn man viel mit Texten und Büchern zu tun hat.
Aber ganz egal, was dein innerer Lektor so von sich gibt: Sperr ihn beim kreativen Schreiben aus.
Mach dein Ding, schüttle von mir aus die Wörter wie ein Barkeeper den Shaker und lass einen Wort-Cocktail entstehen, der es in sich hat.
Fertig? Dann kommt jetzt:
Tipp 2: Betrachte deinen Text mit Abstand und bearbeite ihn ohne Rührseligkeiten
Ich bin mir sicher, dass bei deinem kreativ-wilden Schreibprozess einige echte Gedankenperlen und Wortschätze entstanden sind. Aber: Du bist noch nicht fertig. Zum Schreiben gehört auch immer das Bearbeiten (Redigieren, Lektorieren, nenn es, wie du willst). Damit meine ich übrigens keinen Rechtschreib- und Tippfehler-Check, sondern liebevolles Am-Text-Herumschrauben.
Das ist der Punkt, an dem der innere Lektor wieder mitspielen darf. Jetzt sind seine nervigen Zwischenrufe nämlich hilfreich.
Ein guter Ausgangspunkt fürs Bearbeiten ist diese Übung:
Versuche das, was du mit deinem Text sagen möchtest, in ein bis zwei Sätzen zusammenzufassen (nur für dich).
Für diesen Blogpost könnte das so aussehen: Ich möchte möglichst anschaulich die zwei grundsätzlichen Schritte erklären, die für das Schreiben von Texten nötig sind.
Wenn du nämlich dieses Ziel klar vor Augen hast, siehst du auf einmal, was von deinem roten Faden ablenkt und weißt auch, wo du deinen kreativen Text noch etwas zurechtstutzen musst.
Kann ein Leser deinen Gedankengängen folgen? Vielleicht musst du einige Ideen auslagern (und für später aufheben), andere Gedanken dafür ergänzen, damit sie wirklich nachvollziehbar sind.
Wenn der rote Faden steht, kann durchaus noch ergänzende Deko dazu – sofern sie inhaltlich passt und keine völlig anderen Signale sendet. Meine Deko heißt Ernest. Ich muss mich dafür wahscheinlich beim Literaturpapst entschuldigen. Wobei Hemingway hier eigentlich verschiedene Funktionen übernimmt: Er ist inhaltliches Sprungbrett und der Kitt, der meine wilden Thesen zusammenhält. Doch nicht nur Deko. Glück gehabt.
Das Bearbeiten des Textes gehört zum Schreiben dazu. Das ist die schnörkellose Wahrheit.
Aber auch hier ist Augenmaß gefragt, denn natürlich wird man nur selten die Stufe des „perfekten Textes“ erreichen. Schließlich will ja keiner die große Unvollendete in der Schublade haben. Ein guter Text mit Ecken und Kanten, der fertig ist, ist besser als der fast perfekte, den man so lange bearbeitet, bis er veraltet ist.
Deswegen füge ich an die beiden Schritte des Schreibprozesses noch einen halben an:
Schreibe wild und kreativ. Bearbeite deine Texte nüchtern. Und hab Mut zur Lücke.
Meine richtige Deko zum Text ist wieder was Handfestes zum Selbermachen: der „Ich schreibe fast wie Hemingway“-Mocktail
Wie du jetzt weißt, gehöre ich der „Don’t drink and write“-Fraktion an. Ich schreibe nur, als wäre ich betrunken. Aber das natürlich sehr gern in stimmungsvollem und inspirierendem Ambiete. Was würde besser zum Thema passen als ein alkoholfreier Cocktail (=Mocktail)?
Man sagt Hemingway nach, dass er u.a. gern Mojito trank. Es braucht nur ein paar kleine Veränderungen und daraus wird eine leckere alkohlofreie Variante:
Mosquito
Zutaten:
- 2 Stängel Minze
- 2 cl Limettensaft (am besten frisch gepresst)
- 1-2 TL Zuckersirup
- 10 cl Tonic
- gecrushtes Eis
Zuckersirup selber machen: Dafür 3 Teile Zucker mit 2 Teilen Wasser mischen (Messbecher z.B. bis 50 ml mit Zucker füllen und anschließend 150 ml Wasser abmessen). Zucker und Wasser in einen Topf geben und aufkochen. 10-15 min köcheln lassen, sodass der Sirup etwas eindickt. Abkühlen lassen.
Minze waschen und Blättchen abzupfen. Die Blätter leicht zwischen den Fingern reiben, das setzt das Aroma frei. Bis auf 2-3 Dekoblättchen die Minze ins Cocktailglas geben. Limettensaft und Zuckersirup ins Glas gießen. Das Glas bis zur Hälfte mit gecrushtem Eis füllen und Tonic dazugießen.
Beim Schreiben schluckweise trinken.
(Natürlich hatte ich kein gecrushtes Eis, als ich es brauchte. Zunächst habe ich es mit Eiswürfeln versucht – mäßig gut. Dann habe ich einfach Eiswürfel in einen Gefriebeutel gegeben und mit dem Nudelholz so lange draufgeschlagen, bis das Eis gecrusht war …)
Jetzt stoße ich mit dir an auf die nächste wilde und kreative Schreibphase. Kling.