Die etwas andere Form des Tagebuchschreibens
Es hat sich ganz still und leise in mein Leben geschlichen. Früher hätte ich nie geglaubt, dass das etwas für mich sein könnte. Jetzt sitze ich mit hartnäckigen Farbflecken an den Fingern vor meinem Rechner und bin noch ganz beschwingt von meiner kleinen Art-Journal-Session.
Was ist eigentlich ein Art Journal?
Ein Art Journal ist die ungestüme Schwester (oder wahlweise der Bruder) des klassischen Tagebuchs. Dabei liegt der Schwerpunkt auf kreativem Gestalten. Statt viel Text gibt es meistens viel Farbe. In den meisten Fällen werden ganz unterschiedliche Techniken und Materialien kombiniert. Das nennt sich dann Mixed Media.
Die einzigen Regeln fürs Art Journal: Es findet alles in einem Buch statt. Und man gestaltet mehr oder weniger regelmäßig Seiten.
Diese unendliche Vielfalt ist wunderbar für alle, die experimentieren wollen. Wenn man erst einmal vorsichtig probieren und sich herantesten möchte, fühlt man sich leicht überfordert. Deswegen werden wir hier auch gleich praktisch. Ich habe dir nämlich ein paar Einstiegsideen vorbereitet.
Für wen ist ein Art Journal geeignet?
Bevor du jetzt wegklickst, weil du dich nicht für den künstlerischen Typen hältst: Gib der Sache eine Chance. Ich kenne jemanden, der sich für künstlerisch völlig unbegabt hielt, nicht malen konnte und keine DIYs mochte. Rate mal, wer heute leidenschaftlich gern Art Journal führt …
Genausowenig wie man Schriftsteller sein muss, um Tagebuch zu schreiben, muss man ein Künstler sein, um ein Art Journal zu führen.
Vielleicht fragst du dich, was das bringen soll, in einem Notizbuch zu malen. Eine hervorragende Frage, ich habe quasi darauf gewartet (und sie mir auch selbst schon gestellt). Hier ein paar – wie ich finde – ziemlich überzeugende Punkte:
- Du trainierst deinen kreativen Muskel. Das hilft nicht nur beim Zeichnen oder beim Art Journaling, das kommt dir in jedem Bereich deines Lebens zugute.
- Es ist eine sehr wirkungsvolle Methode, um zu entspannen und Stress abzubauen. Art Journaling geht nämlich nicht hektisch und schnell, sondern nur mit etwas Zeit und Ruhe.
- Es kann therapeutische Wirkung haben. Manches, was einen beschäftigt kann man nur schwer in Worte fassen. Den Zustand der eigenen Psyche oder Seele auszudrücken, fällt auf kreativem Wege leichter.
- Es ist ein wunderbarer Ausgleich für alle, die tagsüber hauptsächlich mit dem Kopf arbeiten. Wenn du dich an einem Art Journal versuchst, darf der Intellekt nur zuschauen. Du kommst wieder mehr mit deiner Intuition und deiner verspielten Seite in Kontakt. Mitunter gewinnt man so ganz neue Erkenntnisse über sich selbst.
- Du erweiterst deinen künstlerischen Horizont und verbesserst deine gestaltertischen Fähigkeiten.
- Es macht einfach Spaß, durch ein gut gefülltes Art Journal zu blättern.
- Gedanken, Erlebnisse, Ziele … lassen sich gut visualisieren.
Überzeugt? Du willst es mal ausprobieren?
Dann gibt es hier den praktischen Teil.
Wie fängt man ein Art Journal an?
Das Material
Die gute Nachricht: Du musst am Anfang nicht in einen Haufen Material investieren. Du kommst super mit dem zurecht, was du wahrscheinlich sowieso schon zu Hause hast. Und wenn es dir Spaß macht und du ein paar ausgefallenere Techniken probieren willst, kaufst du gezielt nach, was du brauchst.
Die Basics:
- ein Notizbuch (am besten A5), etwas festeres Papier ist super, aber auch ein sehr günstiges mit 80 g Papier reicht für den Anfang. In solch einem Buch sind die Beispielseiten in diesem Beitrag entstanden. Ob du Blankoseiten oder welche mit Punkteraster nimmst, hängt von deinen Vorlieben ab.
- Bleistift, Schere, Radiergummi, Kleber, Fineliner
- Farbe und Pinsel (für den Anfang reicht Wasserfarbe – zur Not tut es auch der Schulmalkasten, Aquarellfarbe ist besser zu handhaben. Später kann auch Acrylfarbe ins Spiel kommen).
Angst vorm weißen Blatt kannst du dir sparen
Du legst deine Art-Journal-Seiten immer in Ebenen an. Und da eine weiße, leere Seite ziemlich einschüchtern kann, gestaltest du am besten in einem Rutsch ein paar farbige Hintergründe in deinem Art Journal.
Hintergrund gestalten: zwei einfache Methoden und eine etwas aufwändigere
Nr 1.: Einfacher Aquarellhintergrund
Du brauchst einen Flachpinsel (nicht zu klein), Wasserfarbe und Wasser. Und dein Art Journal.
Misch dir zwei oder drei Farben an, auf die du spontan Lust hast, tauch den Pinsel in eine Farbe ein und male kreuz und quer über deine Seite. Dann nimmst du wieder Farbe auf (vielleicht diesmal die andere) und malst weiter. Die Farben fangen an, ineinander zu fließen und es entstehen neue Mischtöne.
Male so lange über deine Seite, bis du sie gefüllt hast und mit dem Ergebnis zufrieden bist. Das muss kein Kunstwerk werden, es ist lediglich die Leinwand, auf der später noch mehr passiert.
Tipp: Wenn dein Art Journal dünnes Papier hat, lege am besten noch ein Blatt Papier als Schutz unter die Seite. Sie wird ziemlich durchfeuchtet. Das trocknet wieder, aber du musst das Papier im nassen Zustand mit etwas Vorsicht behandeln.
Mit einem (Embossing-)Fön kannst du den Trocknungsvorgang beschleunigen.
Nr. 2: Gut getupft
Du brauchst Wasserfarbe oder Aquarellfarbe, ein Papiertaschentuch oder Küchentuch, ein altes Schälchen oder eine alte Untertasse.
Misch dir wieder Farben deiner Wahl an. Diesmal sollten sie nicht zu flüssig sein.
Zerknüll das Papiertaschentuch, tupfe damit in die Farbe und dann auf deine Seite. Tupfe so lange, bis das Taschentuch kaum noch Farbe abgibt, dann nimmst du neue Farbe auf und wiederholst das Ganze. Du kannst mit dem Taschentuch Farben mischen oder abwechselnd in unterschiedliche Farben tupfen. So bekommt deine Seite eine interessante Struktur.
Wenn das Papiertaschentuch durchgeweicht ist, bevor du fertig bist, nimmst du einfach ein neues.
Immer tupfen, tupfen, tupfen, bis du mit der Seite zufrieden bist.
Nr. 3: Mixed Media Collage
Du brauchst eine Seite aus einer Zeitschrift, Schere, Kleber, Papierschnipsel, Acrylfarbe, ggf. Acrylmedium, Flachpinsel.
Blättere durch alte Zeitschriften und such dir eine Seite aus, die dich spontan anspricht. Schau nach Papierschnipseln, die dazu passen könnten. Reiße oder schneide alles auf das Format deines Journals zurecht.
Zuerst klebst du das große Motiv auf.
Dann ergänzt du die kleinen Papierstücke. Die sollten sich am besten leicht überlappen.
Misch dir weiße oder pastellige Acrylfarbe an (Wasserfarbe funktioniert hier leider nicht). Wenn du möchtest, dass dein Foto noch etwas durchschimmert, verdünne die Acrylfarbe mit einem matten Acrylmedium. So wird sie leicht transparent. Die Farbe verstreichst du so auf dem Bild, wie es dir spontan gefällt.
Ich habe noch ein zusätzliches Stück Papier eingearbeitet und ganz zum Schluss ein paar Farbspritzer auf der Seite verteilt.
Jetzt hast du drei ganz unterschiedliche Startpunkte fürs Art Journaling. Wann immer du Lust auf kreatives Tagebuchschreiben verspürst, blätterst du einfach durch dein Journal und suchst dir einen Hintergrund, der dich spontan anspricht. Und darauf baust du dann auf.
Das kann zum Beispiel so funktionieren:
Art-Journal-Projekt für Einsteiger: Spotlights
Zufälligerweise hast du dich für den einfachen Aquarellhintergrund entschieden :-). Wie es weitergehen könnte, gehen wir mal anhand eines ganz einfachen Projekts durch. Ich habe es “Spotlights” getauft.
Ebene 2: Farbkreise malen.
Such dir eine Farbe, die zu deinem Hintergrund passt und sich gut abhebt. Damit malst du ein paar große und kleinere Kreise auf die Seite. Verteile sie so, wie dir gerade ist. Lass die Farbe trocknen.
Ebene 3: Text.
Natürlich kommt in meinem Art Journal fast immer Text vor. Die Kreise stelle ich mir als Minischeinwerfer vor, die kleine Augenblicke des Tages beleuchten. Ich habe meine Monstera umgetopft und deswegen mit Fineliner ein (seltsames) Monsterablatt in einen der Kreise gezeichnet. Andere kleine Schlaglichter habe ich aufgeschrieben und auf die Kreise verteilt.
Fertig. Oder auch nicht. Meine Seite habe ich so schlicht belassen. Du kannst aber noch weitere Elemente hinzufügen: Farbspritzer quer über der Seite verteilen, den Hintergrund mit gekritzelten Mustern verzieren, mit einem weißen Gelmarker auf den Hintergrund schreiben, Stempeln … worauf immer du Lust hast, probier aus, ob es funktioniert.
Art Journaling muss nicht kompliziert sein und das Ergebnis kann so schlicht oder so aufwändig werden, wie DU es magst. Selbst wenn dir die Seite am Ende überhaupt nicht gefällt, ist das okay. Es geht tatsächlich um den Prozess: ums Malen und Gestalten aus dem Moment heraus. Ums Ausprobieren. Um einen Ort, an dem sich deine Kreativität austoben darf – ohne dafür kritisiert zu werden.
Kennst du schon den Minikurs
für Kreativtagebücher?
Und das Beste: An diesem Kurs kannst du kostenlos teilnehmen!
Also probier es einfach mal. Und dann noch mal. Und noch mal. Du wirst sehen, dass es dir mit der Zeit immer leichter von der Hand geht.
Noch mehr Inspiration und Beiträge rund um Kreativtagebücher findest du hier.
Hi, ich habe auf meinem Blog auch etwas über Art Journaling geschrieben und fand diesen Post sehr hilfreich. Bin übrigens auch eine kleine Geschichtenmaus : )
Klasse erklärt 🙂
Ich fange mit dem Art Journaling auch gerade an.
Zum tupfen eignet sich auch hervorragend ein Stück Topfschwamm, den hat man meist auch zu Hause. Einfach etwas kleiner schneiden und dann mit der Farbe los tupfen oder streichen. Vorteil ist unter anderem, den kann man später gut ausspülen und nach der Trocknung auch super wieder verwenden.
Liebe Grüße
Ich Grüsse Euch.
Seid ca. 2 Jahren mache ich Art journaling, und befinde mich gefühlt noch im Anfängermodus.
Es ist sehr interessant wie meine Bilder im endergebniss aussehen. Und ich bin verblüfft das Ich irgend wann mal erstellt habe.
In den letzten 2 Jahren habe ich von mir gelernt, das ich einfach Zeichnung machen kann, zwar kucke ich ab, aber das soll so zu mir gehören.
Ich habe ganz viele A5 Notizbücher, weil alt sind und einfach in einer dunklen Schubladen Ecke seid vielen Jahren herum lagen.
Manchmal macht meine 5 Jährige Tochter mit, dann wird es besonders interessant.